Ich habe mit meinem Patenkind letzte Woche mal wieder etwas Spanisch gelernt. Dabei ging es um eine Vokabel für lustig, auf spanisch – divertido. Da kam bei mir gleich eine kleine Anekdote hoch, welche mir zu Beginn meines Erasmus-Studienjahres in Madrid passiert ist. Ich war auf einer Uni-Party und wollte ausdrücken, dass ich Spass hatte, als mein Umfeld herzlich anfing zu lachen. Mir kam das alles etwas spanisch vor, da ich nicht genau verstand welchen Witz ich gerade gerissen hatte, als mich meine neu gewonnene Freundin Ana aufklärte. Ich hatte divorciado, also geschieden verwendet und somit den ganzen Sinn meines Satzes verändert. Da musste ich selber auch lachen. Seitdem ist mir das zumindest mit den Wörtern nicht wieder passiert!
In der Situation war das lustig, aber offenbar auch stark emotional, denn die Erinnerung ist auch nach vielen Jahren noch präsent.
Aber was passiert, wenn uns keiner darauf aufmerksam macht, dass man etwas anderes gesendet hat als beabsichtigt?
Ich kann ja schliesslich nicht in den Kopf des Empfängers der Nachricht hineinkriechen um nachzuschauen ob er alles genauso verstanden hat, wie ich es gemeint habe.
Oder kann ich das vielleicht doch?
Naja, sagen wir mal eher indirekt. Der Job vom kleinen Mann im Ohr ist ja bereits besetzt, und diesem wenden wir uns zu einem anderen Moment zu, wenn es eher um die Selbstreflexion, den inneren Kritiker und das innere Team geht.
Zurück zum Kopf. Rein komme ich natürlich nicht, aber ich kann schon einige Techniken einsetzen, die mir dabei helfen sicherzustellen, dass wir über die gleiche Sache reden.
Sprecht ihr über das Gleiche?
Wie ich bereits in einer anderen Folge angesprochen habe, ist es ein wichtiger Aspekt der menschlichen Kommunikation so gut wie möglich abzuklären, ob man über das gleiche spricht.
Hinzu kommt das Verständnis für die Situation des anderen, den Sender oder den Empfänger, je nachdem auf welcher Seite des Gesprächs Du Dich gerade befindest.
Trotzdem kommt es aber immer wieder mal zu Missverständnissen. Also widme ich diese Folge dem Thema der Missverständnisse um darauf hinzuweisen wo die gefährlichen Kurven sind. Da wo es immer wieder gern passiert, dass man mit Vollgas von der Strasse abkommt und wie Du in diesen Kurven am effektivsten gegenlenken kann.
Beginnen wir mit einer kleinen Geschichte aus der Praxis, die mir jemand einmal erzählt hat. Während einer Praxisvertretung wurde der Kollegin vor vielen Jahren eingebläut, wenn die Frau XY, nennen wir sie mal Frau Meyer, kommt, dann muss sie sofort drankommen! Sie darf auf gar keinen Fall auch nur ganz kurz warten!
Extrawürste?
Die Kollegin, nennen wir sie einmal Jana dachte, dass Frau Meyer ja wohl eine ganz besondere Person mit VIP-Status sein muss.
Schliesslich war es eher die Norm, dass auch mit Termin zumindest kurze Wartezeiten einkalkuliert werden mussten. Aber bei dieser Dame wurde offenbar eine Ausnahme gemacht.
Jana ging durch den Kopf, dass es eine Freundin der Besitzer sein könnte, oder vielleicht war es in einer vorherigen Behandlung auch zu einem Eclat gekommen und deshalb kam ihr diese besondere Behandlung zu.
Da nicht explizit erwähnt wurde, dass die Dame jetzt mit einem Notfall kam, schied auch dies Szenario als Lösung aus.
Jana hatte sich mit der ihr zur Verfügung stehenden Information und ihrer eigenen Erfahrung ein Bild davon gemacht, was ihr sinnvoll erschien. Genauso tun wir dies alle. Wir verstehen gerne was um uns herum vorgeht, da es eines unserer Grundbedürfnisse, den Wunsch nach Sicherheit, befriedigt. Dementsprechend gestalten wir auch unsere Realität, auch um ein Gefühl von Kontrolle zu erhalten, je nach Persönlichkeit und vergangenen Erfahrungen mehr oder weniger ausgeprägt.
Als Frau Meyer dann kam, fing es Jana an zu dämmern, warum sie die Sonderbehandlung erhielt. Durch ein Gespräch mit der anwesenden TFA wurde dies bestätigt. Es stellte sich nämlich heraus, dass Frau Meyer stark übergewichtig war und bei vorhergehenden Besuchen bereits zwei, nicht ganz günstige Wartezimmerstühle zerbrochen hatte. Folglich durfte sie sich definitiv nicht hinsetzen!
Werfen wir nun einmal einen genaueren Blick auf das was in der Senderin vorgegangen sein könnte. Sie hatte sehr sachlich beschrieben was gemacht werden bzw. nicht passieren dürfe.
Vielleicht war für sie einfach der Kernpunkt der Nachricht, dass die Dame sich auf keinen Fall länger im Wartezimmer aufhalten dürfe. Dadurch sah sie sich nicht weiter dazu veranlasst mehr Informationen hinzuzufügen. Gerade bei sehr faktenbasierten Menschen kann dies vorkommen.
Vielleicht war es ihr aber auch einfach nur wichtig sehr rücksichtsvoll zu sein, da sie auf keinen Fall ein negatives Licht auf die wirklich nette Frau Meyer werfen wollte.
Oder der Sender oder die Senderin leidet selber unter ihrem Übergewicht oder hat eine Schwester, Vater, Freundin, die oft deswegen gehänselt wurde und ist daher besonders vorsichtig mit ihren Aussagen.
Oder vielleicht wurde die sendende Kollegin bereits wiederholt ermahnt nicht mehr zu lästern und wollte sich nun politisch besonders korrekt verhalten und sich auf gar keinen Fall auf das Gewicht oder den Körperumfang der Patientenbesitzerin beziehen, um Ärger zu vermeiden.
Ich bin mir sicher, dass wir noch viele weitere Szenarien erstellen könnten, die zu diesem Missverständnis geführt haben.
Zum Glück hat es sich in dieser Situation gut aufgelöst.
Was wäre aber geschehen, wenn Jana Frau Meyer nie gesehen hätte? Vielleicht wäre ihr im Gedächtnis geblieben, dass es in dieser Klinik Tierhalter erster und zweiter Kategorie gibt?
Wohin hätte dies dauerhaft führen können? Zu einer besseren Arbeitsatmosphäre, einem verbesserten Arbeitsverhältnis zu den Klinikbesitzern?
Wenn Sie von dritter Seite nach ihrer Meinung zu der Klinik gefragt worden wäre, hätte sie diese Erfahrung in ihrer Aussage evtl. beeinflusst?
Du siehst, auch kleine Missverständnisse können weitreichende Konsequenzen haben. Deshalb finde ich, dass es die Mühe wert sich mit der Entstehung von Missverständnissen genauso zu beschäftigen wie mit den Methoden die dabei helfen sie gar nicht erst entstehen zu lassen.
Da Kommunikation alles andere als eindimensional ist, mag ich das Bild eines Puzzles mit vielen Einzelteilen. Das Missverständnis ist eines davon. Aber wie so oft muss man manchmal auch einen Blick auf angrenzende Teilchen werfen, um sich ein besseres Bild machen zu können.
Hier sind diese Puzzleteile die verbale und nonverbale Kommunikation.
Verbale Kommunikation
Verbale Kommunikation bezeichnet hier den Informationsaustausch mittels Sprache, die nonverbale die Verständigung ohne Worte. Dies kann die Körpersprache mit Gestik und Mimik genauso betreffen, wie den Tonfall, die Kleidung, Schmuck oder Körperschmuck wie Tätowierungen oder Piercings.
Nonverbale Kommunikation läuft oft unbewusst ab, sowohl auf der Sender-, als auch der Empfängerseite. Manche Elemente werden aber auch bewusst gesteuert, je nach Situation oder Ziel. Zum Beispiel tragt man in einem Bewerbungsgespräch oft sehr formale Kleidung oder eine Frau trägt zu einem Date ein eher körperbetontes Outfit und setzt Gesten wie mit den Haaren spielen oder von unten Aufschauen bewusst als Flirttechnik ein.
In der Praxis kann auch die Arbeitskleidung etwas aussagen. Es kann einen Unterschied machen, ob man als Tierarzt normale Kleidung, einen Kittel oder wie so oft farbige OP-Kleidung trägt. Ebenfalls kann es mehr über den Status ausdrücken, als auch den ersten Blick ersichtlich, wenn z.B. TFAs eine andere Farbe tragen als die Tierärzte.
Bitte fühle Dich nicht auf den Schlips getreten, wenn dies bei Dir der Fall ist und es aus gutem Grund so entschieden wurde. Es geht hier nicht um Wertung, sondern eine Aufzählung der Möglichkeiten nonverbaler Kommunikation, welche wir als solche oft nicht bewusst wahrnehmen.
Auf jeden Fall ist die erste Regel der Kommunikation immer gültig, nämlich, dass man nicht nicht kommunizieren kann, also es immer tut.
Einerseits kommt es immer darauf an, welche Persönlichkeit und welche Erfahrungen der Sender mitbringt. Hinzu kommen die Beziehung zwischen den beiden Gesprächspartnern, bzw. manchmal geht es auch viel genereller um die Beziehung zur Berufsgruppe, zum Beispiel Tierärzten im allgemeinen oder Pharmavertretern, wenn wir mal eine andere Seite nehmen möchten. Und zu guter Letzt um das Ziel, also wozu man seinen Gesprächspartner bewegen möchte.
Diese verschiedenen Seiten hat Friedemann Schulz von Thun in eine sehr kompakte Form gebracht und gemeinsam mit seinen Kollegen ein Modell daraus erstellt. Er bezeichnet diese vier Ebenen der Kommunikation als die Sachebene, die Selbstaussageebene, die Beziehungsebene und die Appellebene.
Ich gehe auf dieses Modell genauer in der nächsten Solo-Episode ein.
Jetzt möchte ich auf ein paar typische Auslöser von Missverständnissen in der Praxis eingehen.
Das Medium der Kommunikation wird oft unterschätzt. Im Alltag hast Du meist sowohl Patientenbesitzer als auch Kollegen persönlich vor Dir stehen. Allerdings gibt es auch andere Situationen. Bist Du zum Beispiel zur Behandlung von Nutztieren oder Pferden unterwegs oder betreibst eine mobile Kleintierpraxis?
Oder telefonierst mit einem Patientenbesitzer zwecks einer Beschwerde, fehlenden Zahlungen oder auch einfach zur Nachsorge?
Vielleicht adressierst Du auch einige Besitzer via Email oder auf dem Postweg?
Versendest Du sogar Termine oder Erinnerungen via WhatsApp?
Hat einer in Deiner Klinik oder Praxis die Aufgabe übernommen auf Social Media Plattformen wie Facebook regelmässig zu kommunizieren?
Dies sind eine Vielzahl an Kommunikationsmöglichkeiten und nicht jede ist für alle Formen von Inhalten geeignet.
Um einfach zu beginnen kann Du Dich, wenn Du im Begriff bist eine WhatsApp oder Email zu schreiben oder auch zum Telefon zu greifen, fragen, ob dies das beste Kommunikationsmedium für diesen Gesprächspartner, Dein Anliegen und das Ziel des Gespräches ist?
Das erlaubt es Dir Deine Strategie zu hinterfragen und gegebenenfalls anzupassen.
Gerade im medizinischen Kontext können viele Missverständnisse auch durch die Wortwahl entstehen. Unter Tierärzten führt dies wahrscheinlich weniger zum Problem.
Mit Patientenbesitzern und jungen oder neuen TFAs sieht dies teilweise schon anders aus.
Das Resultat von einer sehr fachlich orientierten Ausdrucksweise kann von Unsicherheiten, über die Abnahmen des Selbstwertgefühls bis hin zur Aussage, dass Du eingebildet oder hochnäsig oder sogar ignorant bist reichen.
Wie das?
Wenn ein PB nicht versteht was Du ihm sagen willst, vielleicht auch im zweiten Erklärungsansatz nicht, möchten sich viele Menschen dies ungern eingestehen, da es eine Schwäche offenbart oder sie schlecht dastehen lässt. Der ein oder andere fühlt sich vielleicht sogar dumm. Je nach Persönlichkeitstyp kannst Du hier durch diese Art der Kommunikation direkten Einfluss auf das Selbstwertgefühl einzelner Personen nehmen. Sei Dir dessen bewusst, denn es birgt auch eine Verantwortung in sich.
Wenn Du jetzt sagst, dass Du jedes Mal nachfragst, ob alles verstanden wurde und Du eigentlich immer ein Ja oder zustimmendes Kopfschütteln erhältst. Schliesst dies aus, dass die andere Person nicht besagte Emotionen durchlaufen könnte?
Ausserdem denke an den Anfang und die Geschichte der Frau Meyer oder meine Nutzung des falschen Wortes zurück. Nicht alles kommt so beim anderen an, wie man es beabsichtigt hat.
Ein Ausweg aus der Misere ist der Weg hin zu einer klaren Kommunikation. Und das Bewusstsein über all die Situationen, wo es auch danebengehen kann, ist bereits der erste Schritt, den Du hier gehst.
Und damit Du dies gleich in Deinen Alltag mit aufnehmen kannst, sollst Du auch heute nicht ohne eine Aufgabe gehen.
Denke an zwei Deiner expliziten Erfahrungen mit Missverständnissen. Diese kannst Du selber erlebt oder, wenn Dir gerade keine einfallen wollen, auch miterlebt haben. Es ist egal, ob sie aktuell sind oder aus der Vergangenheit.
Was waren die Auslöser und was haben sie mit Dir zu tun? Gibt es Parallelen zwischen den beiden oder anderen Situationen?
Viel Spass bei der Umsetzung!